Digitalisierung als Chance für einen neuen Blick auf Öffentlichkeitsarbeit und Außenwirkung Mein Beitrag für die Zeitschrift Gemeindepädagogik Praxis

Digitalisierung als Chance für einen neuen Blick auf Öffentlichkeitsarbeit und Außenwirkung

Zu meiner Konfirmation bekam ich von der damaligen Jungen Gemeinde eine Sonderausgabe der Junge Gemeindezeitung geschenkt, die einen lustig geschriebenen Glossar enthielt, der uns jungen Konfirmand*innen helfen sollte uns in der Gemeinde zurecht zu finden. Darin enthalten war auch die Erklärung für den „Schaukasten“: Dies käme von dem chinesischen Wort „Tschau kas ten“ und bedeute übersetzt: „Zusammenfassung der Ereignisse der letzten 3 Jahre.“ Als ich die Anfrage bekam, ob ich einen Beitrag zum Thema Digitalisierung und Öffentlichkeitsarbeit für diese Ausgabe schreiben kann, fiel mir diese satirische und selbstkritische Erklärung von damals wieder ein. Mir scheint, dass längst nicht alle Probleme, die uns als Kirche im digitalen Raum ausbremsen wirklich nur mit der Digitalisierung zusammen hängen. Wenn es darum geht unsere Außenwirkung kreativ, aktuell, originell und ansprechend zu gestalten, treffen wir nicht selten auf ähnliche Schwierigkeiten, wie sie uns auch im Analogen Bereich schon lange begleiten. Die Digitalisierung zeigt diese Probleme noch deutlicher auf als zuvor. Sie ist sicher eine Chance, insgesamt über Öffentlichkeitsarbeit und unsere Außenwirkung als Kirche neu nachzudenken. Dazu mögen auch die folgenden Thesen beitragen:

  1. Es geht nicht mal eben nebenbei! Öffentlichkeitsarbeit ist Arbeit. Sie braucht Ressourcen!
    Während kommerzielle Anbieter große Schaufenster haben und mit Schauwerbegestalterinnen einen ganzen Berufszweig beschäftigen gehen wir in der Regel davon aus, dass dies irgendwie nebenbei laufen muss. Nicht selten endet dies damit, dass dann in Schaukästen etwas vergilbte Blätter mit nicht ganz streifenfrei kopierten Veranstaltungsplänen hängen. Auch im digitalen Bereich ist es eine Frage, wie viel Wert wir auf unsere Außenwirkung legen und wie viele Ressourcen wir dafür einplanen. Hier entscheidet sich, ob auf der Internetseite noch der Vor-vor-gänger der aktuellen Pfarrerin steht oder, ob es aktuelle und ansprechende Social Media-Profile gibt. Hinter guten Online Auftritten steht eine ganze Reihe von kreativen Berufsfeldern (Fotografinnen, Designerinnen Webdesignerinnen etc.), deren Vertreterinnen sich in sozialen Netzwerken nicht zu Unrecht darüber beschweren, dass ihre Berufe nicht genug geachtet werden und sie zu viele Anfragen bekommen, bei denen sie ohne Bezahlung arbeiten sollen. Wann stehen diese kreativen Menschen genau so selbstverständlich in unseren Haushaltsplänen, wie Orgelbauerinnen, Restaurator*innen und andere Berufsfelder, die wir zu Erhaltung von Kulturgütern brauchen, die unsere Vorfahren einmal mit großem Aufwand geschaffen und mit Blick auf die Außenwirkung der Kirche generiert haben? Damit verbunden ist nicht zuletzt die Frage: Was werden heutige Generationen eigentlich an erhaltenswerter Kunst und Kultur hinterlassen?
  2. Ressourcen sollten geplant, aktiviert und bewusst eingesetzt werden.
    Ich bewundere, was Pfarrerinnen, Gemeindepädagoginnen und Ehrenamtliche zum Teil so ganz nebenbei an guten online Angeboten produzieren. Dennoch bin ich überzeugt, dass wir an dieser Stelle deutlich mehr Ressourcen einplanen und einsetzen sollten. Man kann nicht gleichzeitig vorne stehen, die Verantwortung für Veranstaltungen tragen und von hinten schöne Fotos und Videos machen und diese online präsentieren. In dem Maße, in dem wir bereit sind, Gelder für die entsprechenden Berufsgruppen einzuplanen wird sicherlich auch deren Bereitschaft wachsen, sich gelegentlich ehrenamtlich einzubringen. Wenn wir endlich aufhören, Öffentlichkeitsarbeit und Außenwirkung unserer Kirchgemeinden als Nebensache zu betrachten, die sich von selbst erledigt, dann können wir anfangen gezielt Menschen dafür zu gewinnen und Spenden dafür zu sammeln. In fast jedem Kirchenvorstand finden sich ein oder mehrere Bauexpertinnen. Wann bemühen wir uns ebenso um Social Media Expertinnen?
  3. Wir müssen lernen den Blick für neue Zielgruppen nicht zuletzt unter unseren eigenen Kirchengliedern zu öffnen!
    Wenn ich hier davon schreibe, dass die Öffentlichkeitsarbeit und Außenwirkung unserer Kirche mehr Ressourcen braucht, dann ist mir zugleich auch schmerzlich bewusst, dass wir derzeit Strukturreformen durchlaufen, die uns bedingt durch demographische Entwicklung und Mitgliederschwund dazu zwingen, unsere Angebote mit weniger Ressourcen zu gestalten.
    Mir ist bewusst, dass es gerade in dieser Zeit schwer ist, für Arbeitsbereiche zu werben, die deutlich mehr Aufmerksamkeit und Investitionen benötigen. Darüber, dass eine gute Öffentlichkeitsarbeit und offensivere missionarische Ausrichtung unserer Kirche helfen kann, dem Mitgliederschwund entgegen zu wirken ist bereits viel geschrieben worden. Mir erscheint es wichtig, auch darauf hinzuweisen, dass wir in den Strukturdebatten häufig auf unsere traditionellen Angebote und damit auf eine kleine Schar an aktiven Kirchenmitgliedern, die sogenannte „Kerngemeinde“ fixiert sind. Eine gute Öffentlichkeitsarbeit sollte diese Fixierung aufbrechen und den Blick auf die ganze Gemeinde und damit viel stärker auch auf die vielen Kirchenglieder, die unsere Angebote finanzieren, aber bislang kaum nutzen richten.
  4. Wir müssen unsere Angebote stärker Evaluieren und Ressourcen auch gezielter einsetzen!
    Jedes Jahr machen wir die sogenannte „Statistik 2“, bei der Gottesdienstbesucherinnen, Konfirmandinnenzahlen etc. abgefragt werden. Interessanter Weise spielen hier Zugriffszahlen auf Internetseiten oder Social Media Profile, Zahlen von Followern, Abonnenten und Freunden unserer Online- Angebote noch keine Rolle. Leider bleibt die Erhebung der Zahlen in der Regel auch ohne Konsequenzen. Können wir uns eine Kirche vorstellen, in der wir uns konsequent Ziele Stecken, Angebote nach ihrem Erfolg bewerten und wenn nötig auch verändern? Wie wäre es, wenn der Kirchenvorstand eine Krisensitzung einlegen würde, weil die Konfirmandinnenzahlen hinter den Zahlen der Jugendlichen im Konfirmandinnenalter in der Gemeinde und im Ortsteil zurück bleiben? Wenn die Gemeinde von Twitter auf Instagramm wechselt, weil dort mehr junge Familien zu erreichen sind…
  5. Wir sollten den biblischen Wert des Teilens auch für Online Angebote wiederentdecken! Wir brauchen eine kirchliche Open Source und Creative Commons- Kultur.
    Die biblische Botschaft, dass teilen nicht ärmer, sondern reicher macht gilt um so mehr für die digitale Welt. Jesus hat im Wunder der Speisung der 5000 gezeigt, wie viel man mit Gottvertrauen und konsequentem Teilen erreichen kann. Dies gilt umso mehr im Online Bereich und in sozialen Netzwerken! Wo können wir uns gegenseitig helfen, unseren Social Media Auftritten größere Reichweite zu verschaffen? Wo können wir einmal erstellte Inhalte, Bilder, Videos, Texte, oder sogar Programmcode noch konsequenter für alle zur Verfügung stellen? Wie wäre es, mit einer Internetplattform für christliche Bilder und Videos, die von allen verwendet werden können? Oder wie wäre es mit einer kirchlichen Modellagentur, in der sich Menschen ehrenamtlich bereit erklären für die Kirche ihr Gesicht zu zeigen? Neue Herausforderungen brauche neue Ideen und vor allem auch neue Formen der Zusammenarbeit und des Teilens!