Mein Schönstes Geschenk

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Das schönste 

Geschenk

Eine Geschichte von Sebastian Keller

Großvater war schon sehr alt. Er begann langsam vergesslich zu werden. Er verwechselte die Namen der Enkel immer wieder. 

Er wurde oft belächelt, wenn er seltsame Sachen erzählte. Weil er auch nicht mehr so gut hörte und vieles falsch verstand hatte sich die ganze Familie daran gewöhnt nicht alles Ernst zu nehmen, was er so sagte. 

Aber an einen Weihnachtstag kann ich mich erinnern, da lachte niemand. Der Großvater hatte die ganze Familie zu sich gebeten. Er wirkte sehr ernst, aber auch irgendwie gelöst und und ruhig. 

„Heute will ich Euch vom schönsten Geschenk erzählen, dass ich je bekommen habe und ich will es an Euch weiter geben, begann er.

Wir überlegten, ob es wohl seine Taschenuhr, seine Standuhr oder die große 5 Stöckige Weihnachtspyramide sein könnte. 

Doch er holte eine rostige kleine Blechdose hervor. „Diese Dose habe ich von meinem Großvater bekommen und er hat mir ihr Geheimnis verraten. So will ich es auch mit Euch tun. Mit etwas zittrigen Händen öffnete er die Dose. In ihr war eine Hand voll Strohsterne und ein kleiner vergilbter Zettel, wohl eilig herausgerissen aus einem Kalender. Darauf hatte offenbar jemand sehr hastig einige Sätze mitgeschrieben. Der Großvater faltete den Zettel behutsam auseinander, dann setzte er seine Lesebrille auf und begann zu lesen. Dabei schaute er den abgegriffenen Zettel kaum an. Die Worte schienen viel mehr in seinem Kopf, ja in seinem Herzen eingebrannt zu sein, so trug er sie vor. Er hatte sie viele Jahre zuvor aufgeschrieben und wohl schon oft wieder gelesen. „Diese Sterne, mein Junge, sind keine gewöhnlichen Strohsterne. Sie sind schon seit Generationen weiter gegeben worden. Einer von ihnen ist ein ganz besonderer Stern, der ganz besondere Kräfte in sich birgt. Es heißt, dass er Menschen helfen könne ihr Lebensglück zu finden. Du kennst doch die Weihnachtsgeschichte, dass unser Herr Jesus Christus in einem Stall geboren wurde und in eine Krippe gelegt. Später kamen Hirten zu Besuch, ganz arme Leute. Sie hatten selbst kaum genug, um über den Winter zu kommen und sie verschenkten ihre letzte Habe, weil sie in dem neu geborenen Kind ihren Gott und Retter erkannten. Josef aber wollte sie nicht einfach gehen lassen. Er wollte ihnen auch ein Zeichen der Hoffnung mitgeben. Vielleicht haben ihn einige Sterndeuter auf die Idee gebracht. Er formte aus dem Stroh in dem Jesus gelegen hatte kleine Strohsterne und gab sie den Hirten mit. 

Stell dir das mal vor. Ein Stern aus dem Stroh, in dem tatsächlich Jesus Christus als Kind gelegen hat. Man sagt, dass dieser Stern besondere Kräfte habe, und, dass wer ihn erkennt ein Leben in Glück und Hoffnung gewinnen könnte. Leider sind die Sterne durcheinander geraten. Aber einer dieser Sterne in dieser Büchse ist der Echte. So übergebe ich Dir heute die ganze Dose. Gib gut acht, dass Du den richtigen nicht verlierst.“ Darauf hin legte der Großvater den Zettel weg. Und wir starrten auf die Strohsterne. Welcher mochte nur der Originale, der Richtige sein? Der Großvater legte die Sterne einzeln auf den Tisch. Einer dieser Sterne, so heißt es gäbe die Fähigkeit glücklich zu werden, Weisheit und inneren Reichtum zu erlangen. Welcher mag es wohl sein? 

Welchen hat Josef wohl damals für die Hirten gemacht? 

Der Großvater lehnte sich zurück und sah zu, wie unser Interesse an den Sternen wuchs. Sicher ist es der flüchtig gebundene. Josef hat sicher keine Zeit gehabt ihn perfekt zu machen, bevor die Hirten wieder zurück mussten. Er sieht aus, wie ein erster Versuch. Oder es ist der besonders schöne, der schon so wertvoll und liebevoll gemacht aussieht. Oder es ist der mit den abgeknickten Ecken? 

Irgendwie muss der Stern ja auch schon sehr alt sein. Wie soll er die vielen Jahrhunderte ohne Schaden überstanden haben? 

Unter uns begann ein wildes Raten.

Der Großvater mischte indessen unauffällig einige Herztropfen in seinen Rotwein und fuhr dann gemächlich aber vergnügt fort. 

„So einfach ist es nicht, den richtigen Stern herauszufinden. Das ist wieder eine eigene Geschichte, ach was eine Sammlung von Geschichten – größer als diese Sammlung von Sternen. Auf jeden Fall kann ich Euch sagen, dass der Stern mir geholfen hat, mein Glück zu finden. Ihr wisst, ich habe Krieg, Hunger und Vertreibung erlebt. Ich habe knappe und schwierige Zeiten überstehen müssen und manchmal war da nicht viel – außer den Strohsternen. Es gab immer wieder Momente, wo ich sie hervor geholt habe. Ich habe den Zettel gelesen, den ich mitgeschrieben hatte, als mein Großvater mir die Sterne übergab. In diesen Momenten musste ich immer wieder daran denken in welchen schwierigen und knappen Verhältnissen doch Jesus Christus unser Herr groß geworden ist. Egal wie klein man angefangen hat, man kann doch großes bewegen. Und wenn der Allergrößte und Höchste sich nicht scheut, auf Stroh zu liegen, warum sollte ich mich dann beklagen? Und immer, wenn ich die Kiste mit den Sternen wieder schloss, wurde ich dankbar für das Essen und Trinken, auch wenn es knapp sein mochte und für ein sicheres Bett, auch wenn kaum Platz war. Man braucht meist weniger, als man denkt. Und wenn man erst daran denkt, was man wirklich braucht kann auch die Angst schwinden zu kurz zu kommen. Mir hat das immer wieder Vertrauen und neue Kraft gegeben. Gerade auch in knappen und schwierigen Zeiten kann sich das Glück verstecken. Da können Freundschaften wachsen und vieles Mehr. Die Sterne haben mir oft die Augen dafür geöffnet.“ „Welcher ist denn nun der richtige Stern?“ fragen wir ungeduldig. 

Der Großvater setzte seine Lesebrille wieder ab, so als wollte er etwas erklären, dass nirgendwo geschrieben steht, wofür es tiefe eigene Lebenserfahrung braucht. 

„Wisst Ihr“, fuhr er fort, „Alle diese Sterne sind aus gewöhnlichem Stroh. Man könnte auch die Stecknadel im Heuhaufen oder den Strohstern in der Heukiste suchen. Das Geheimnis ist, dass man niemals wissen kann welcher Stern der Richtige ist. Also muss man sie alle bewahren und wertschätzen wie den Einen ganz besonderen.

Die mit den abgeknickten Ecken, die Flüchtig gebundenen und die besonders schönen. Im Alltag kann jeder Tag dein glücklichster Tag im Leben sein. Jeden Tag kann dir deine spätere Frau, dein bester Freund, oder gar Gott selbst begegnen. Im flüchtigen Alltag, in schwierigen und geknickten Zeiten oder in besonders schönen Phasen. Du musst sie alle annehmen und fest halten. Jeder Moment kann der Echte sein und jeder noch so gewöhnlich aussehende Augenblick birgt vielleicht eine besondere Gottesbegegnung. Alle diese Strohsterne haben mich gelehrt dies zu erkennen.

Am Ende ist der Strohstern – so wie der große Stern, der die Sterndeuter leitete nur dann etwas wert, wenn er uns zum Kind, zu Jesus Christus unserem Herrn führt. Darin liegt alles Glück, alle Weisheit und Erkenntnis.“

Ich glaube Du kennst diese Momente, wenn der Alltag zu grau, die Sorgen zu schwer und die Hoffnung zu klein werden. Dann ist es wohl wieder Zeit für einen Strohstern.