Besinnlich an der Krippe

In der Weihnachtszeit kam Herr Portitz meist erst sehr spät von der Arbeit nach Hause und, wenn er mal früher heim kam musste er gleich wieder weg. Schnell noch dies und das besorgen, ein Paket beim Paketshop holen oder etwas einkaufen. Wenn er dann doch mal zu Hause war, dann hatte er meist keine Zeit für die Kinder und keine Nerven. „Du siehst doch dass ich beschäftigt bin. Kannst du nicht mal 5 Minuten warten?“ Und auch wenn der fast 5-jährige Florian die Uhr noch nicht lesen konnte war er sich ganz sicher, dass die 5 Minuten schon lange vorbei waren, als die die Mutter ihn genervt zurückholte: „Du kannst den Papa jetzt nicht stören, der muss noch arbeiten.“

Besonders schlimm war es am Samstag vor Weihnachten. Eigentlich war es ganz schön losgegangen, da hatten sich tatsächlich beide Eltern endlich mal Zeit genommen die Weihnachtssachen aus dem Keller zu holen und gemeinsam mit den Kindern die Wohnung zu schmücken. Gemeinsam hatten sie kleine Engelfiguren ausgepackt, und die alte Weihnachtskrippe aufgebaut. Herr Portitz erklärte: „Die Krippenfiguren sind antik, und handgeschnitzt, die sind nicht zum Spielen da! Die dürft ihr nicht anfassen!“ Florian wusste nicht, was antik bedeutet, aber den strengen Tonfall des Vaters kannte er gut. Wenn man gegen solche Anweisungen verstieß gab es meist richtig Ärger. Besonders dann, wenn die Eltern im Stress waren. Und doch gingen ihm die Krippenfiguren nicht aus dem Kopf. Sie waren nicht wie seine Spielfiguren mit einem aufgedruckten Lächelmund, sondern sie hatten richtige Gesichter. Ihr Blick hatte etwas Sorgenvolles, erwachsenes. Sie schauten fast so, wie die ständig gestressten Eltern. Und während Florian die Figuren so anschaute klingelte das Telefon. Danach musste der Papa schon wieder weg. Als er Stunden später wieder kam hatte er es schon wieder eilig. „Jetzt hilf doch mal beim Abladen! Ich stehe schon wieder im Halteverbot!“, brüllte er die Mama an. Diese schrie zurück: „Ich kann hier auch nicht sofort alles fallen lassen und warum hast du denn den Müll nicht mit runter genommen?“ Danach stritten beide laut und Florian hielt sich die Ohren zu. 

Nachdem alles abgeladen war und der Müll weggebracht, war den Eltern die Anspannung und der Ärger noch immer anzumerken. Herr Portitz kam ins Wohnzimmer um alles für den Weihnachtstag vorzubereiten. Da sah er die alte handgeschnitzte Krippe. „Das kann doch nicht wahr sein!“, Rief er. „Florian! Florian, komm jetzt sofort her.“, schnaubte er wütend. Florian kam ganz kleinlaut ins Wohnzimmer. Dort lagen die beiden Krippenfiguren von Maria und Josef neben der Krippe. „Ich hab dir hundertmal gesagt, dass du mit den Krippenfiguren nicht spielen sollst. Hörst du schlecht?“ 

Florian holte tief Luft, dann stellte er sich mit ernstem Gesicht an die Krippe und sagte: „Papa, ich hab gar nicht gespielt. Maria und Josef müssen sich ausruhen. Die sind nämlich auch im Stress.“